Frankfurt, 9. Februar 2011
Aktuelle BGH-Entscheidung: S-Bahn-Verkehr muss generell ausgeschrieben werden – Ausweg über die SektVO?
Der Bundesgerichtshof hat in einem für Aufsehen erregenden Beschluss vom 08.02.2011 (X ZB 4/10) im Bereich des SPNV-Vergaberechts nunmehr festgestellt, dass eine Direktvergabe des Verkehrsverbunds Rhein Ruhr (VRR) an die Deutsche Bahn unzulässig war und der Betrieb von Nahverkehr auf der Schiene ausgeschrieben werden muss. Die Entscheidung des BGH stellt damit eine weitreichende Grundsatzentscheidung für mehr als 30 aktuell bevorstehende direkte Streckenvergaben vor allem bei Verkehrsleistungen für S-Bahn und Regionalverkehr dar.
Der Bundesgerichtshof hat deutlich festgestellt, dass § 15 Abs. 2 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) nicht unter dem Gesichtspunkt der Spezialität Vorrang vor den vergaberechtlichen Bestimmungen des GWB genießt, sondern vom GWB als dem jüngeren Gesetz verdrängt wird. Er hat dabei an seine bisherige Rechtsprechung angeknüpft, wonach der Anwendungsbereich der vergaberechtlichen Bestimmungen im Gesetz nach Vertragsarten und -gegenständen prinzipiell umfassend bestimmt und der Ausnahmekatalog in § 100 Abs. 2 GWB - unter den der S-Bahn-Betrieb nicht fällt - als abschließend anzusehen ist. Ein gesetzgeberischer Wille dahin, die Vergabe solcher Leistungen gleichwohl dem Anwendungsbereich des GWB zu entziehen, ist der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen.
Der Bundesgerichtshof hat weiter entschieden, dass in solchen Situationen auch keine Dienstleistungskonzession vorliegt, die dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren entzogen wäre. Es handelt sich bei solchen Verkehrverträgen um Dienstleistungsaufträge. Er hat sich dabei an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union angelehnt, wonach für Dienstleistungskonzessionen charakteristisch ist, dass der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung den Risiken des Marktes ausgesetzt ist und das Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt. Nach diesen Kriterien liegt eine Dienstleistungskonzession im Wesentlichen deshalb nicht vor, weil ein rentabler S-Bahn-Betrieb weitgehend durch die Zuzahlungen der öffentlichen Hand gesichert wird, die nach den Angaben von DB Regio rund 64 % der Gesamtkosten decken und die Einnahmen aus dem Fahrkartenerlös somit ganz deutlich übersteigen.
Diese Entscheidung des BGH führt zu einer Neubeurteilung vieler Direktvergaben, nicht nur bei den schienengebundenen öffentlichen Verkehrsleistungen, sondern auch bei Busverkehrsleistungen. Da noch keine schriftlichen Entscheidungsgründe vorliegen, ist derzeit noch offen, ob nicht über die Anwendung der Sektorenverordnung (SektVO) die Möglichkeit einer Direktvergabe besteht. Dazu helfen wir Ihnen jederzeit gerne mit Informationen weiter.
In unserem Frankfurter Büro berät der HEUSSEN Partner Wolfgang E. Trautner mit seinem Team sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer im Bereich von SNPV/ÖPNV-Vergaben.
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